Wir haben einen Fachkräftemangel in bestimmten Branchen in Deutschland. Punkt. Da sind sich viele Menschen einig. Und rein rechnerisch stimmt das wahrscheinlich auch. Doch ist der Fachkräftemangel wirklich der einzige Grund dafür, warum du für dein Unternehmen keine neuen Mitarbeiter findest? Wahrscheinlich nicht.
Hallo Arbeit 4.0 und New Work
Die Digitalisierung, Globalisierung, der Wertewandel und auch der demografische Wandel führen dazu, dass sich unsere Gesellschaft stark verändert. Damit einher geht gleichzeitig, dass diese Veränderungen auch in Unternehmen stattfinden müssen. Denn die Art und Weise der Zusammenarbeit und auch die Anforderungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter verändern sich.
So wandelt sich mit dem Menschenbild auch die Definition der Arbeit an sich. Arbeit wird von Menschen immer öfter als eine Tätigkeit definiert, die nicht nur das materielle Überleben sichert, sondern Sinn und Erfüllung stiftet und der wir ganz aus unserer intrinsischen Motivation mit Freude nachgehen. Arbeit wird oft nicht mehr als eigenständiger und abgegrenzter Lebensbereich sondern als natürlicher Teil unseres Lebens angesehen, der uns Kreativität, Wachstum und Entfaltung verspricht. New Work heißt eben nicht nur neue Dinge zu tun. New Work heißt diese Dinge anders zu tun.
Es gibt nicht DEN einen Mitarbeiter-Typ
In der Produkt-Entwicklung wird schon seit einiger Zeit nicht mehr nur von DEM Kunden gesprochen. Vielmehr werden verschiedene Personas adressiert, die aus dem gesamten Kundenstamm abgeleitet werden, um der Individualität gerechter zu werden und aus Sicht DER Kunden die richtigen Dinge zur richtigen Zeit tun zu können.
Mit den Mitarbeitern deines Unternehmens verhält es sich ganz ähnlich. Sie sind und bleiben eine sehr heterogene Masse aus verschiedenen Generationen, mit ganz unterschiedlichen Werten und Bedürfnissen. Sie haben unterschiedliche Geschichten, Erfahrungen und eine unterschiedliche Herkunft. Und das ist wichtig für dein Unternehmen, da so die Diversität steigt, was nachweislich von Vorteil ist.
Gleichzeitig heißt das auch, dass es für dich keine One-Size-Fits-All-Lösung im Umgang mit deinen Mitarbeitern und auch beim Recruiting geben kann. Standards werden oft nur wenigen bis gar keinen individuellen Bedürfnissen gerecht.
Bewerber zu einem Online-Formular zu treiben, ist kein Recruiting
Interessanterweise nutzen sehr häufig Unternehmen, die sich groß die digitale Transformation, Innovation und Disruption auf die Fahne geschrieben haben, ihre Möglichkeiten im Recruiting nur sehr begrenzt aus. Die Firmen bespielen mit ihren Jobanzeigen die verschiedensten digitalen Kanäle, zwingen die Bewerber am Ende trotzdem in ihren standardisierten Prozess.
Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.
Thorsten Dirks
Oft gibt es keinen direkten menschlichen Ansprechpartner. Und selbst wenn entsprechende über Xing und Co. ausfindig gemacht werden, heißt das nicht, dass ein entsprechender Kontakt weiterhilft. Ich habe schon einige Geschichten gehört, wo für mich das Positions- und Silodenken ganz klar durchkamen. Wenn HR-ler oder „Talentmanager“ lediglich auf ihre Nichtzuständigkeit verweisen oder gar nicht antworten statt zu helfen einen potenziellen neuen Mitarbeiter zu sichern, dann hilft auch keine Digitalisierung mehr. Und das Onboarding neuer Mitarbeiter passiert im Idealfall schon während des ersten Kontaktes und dem Bewerbungsprozess. Oder eben nicht…
Unternehmen müssen mehr experimentieren
Solch ein Verhalten ist für mich schon sehr abschreckend, da ich so ganz unvermittelt einen ersten Eindruck der Firmenkultur bekomme. Hinzu kommt, dass viele Firmen nur das tun, was sie schon immer getan haben, gleichzeitig aber in der Zukunft erfolgreich sein wollen – findest du das nicht paradox?
Besonders deutlich wurde mir dies, wenn Anfragen bzgl. einer flexiblen Zusammenarbeit, eventuell sogar per remote, oft sehr emotionslos mit dem Hinweis auf „nur Festanstellung“ abgetan wurden. Ich weiß um die Herausforderungen, die solch eine Zusammenarbeit mit sich bringt. Ich weiß auch, dass viele Unternehmen einfach noch nicht genügend Erfahrungen gesammelt haben, um damit umzugehen. Aber sollten das nicht genau deswegen Argumente für eine andere Art der Zusammenarbeit und nicht dagegen sein?
Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.
Henry Ford
Wie passt es denn zusammen, wenn ein Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels mit solch starren Strukturen und Prozessen nach neuen, kreativen, dynamischen und flexiblen Mitarbeiter sucht? Am Ende werden Menschen Jobs in einer Firma angeboten, die sie einfach nicht wollen, weil die Firma genau das ist, was viele „Talente“ und Fachkräfte eben NICHT suchen. Ohne diese Menschen, wird es für die Unternehmen aber noch schwerer, in der Zukunft zu bestehen. Ein Henne-Ei-Problem.
Du solltest also den Menschen, die du für dein Unternehmen suchst, die Türen öffnen, Experimente starten und neue Wege gehen, um herauszufinden, wie neues Arbeiten funktioniert. Das Risiko ist oft gering, die Chancen dafür umso größer. Einen Rahmen für Experimente zu haben und das nach außen zu tragen, ist ein gutes Indiz für eine attraktive Unternehmenskultur. Du kannst es dir auch einfach nicht leisten, die wenigen Fachkräfte, die überhaupt passen, zu vergraulen und zur Konkurrenz zu schicken 😉